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Red Aces - RB Leipzig

Der breite Bus nach Lautern

Irgendetwas stimmte nicht während der Auswärtsfahrt nach Kaiserslautern am vergangenen Montag. Drei Busse waren gestartet, doch der dritte brauchte außergewöhnlich viel Zeit im Vergleich zu den anderen. Im Laufe der Fahrt stellten einige Mitfahrer deswegen die Vermutung auf, dass der Bus einfach zu breit sei, breiter als die beiden anderen Busse. Aufgrund seiner größeren Breite bot der Bus eine größere Angriffsfläche für den Fahrtwind, der ihn blockierte, der ihn zusätzlich behinderte. Der so verursachte höhere Luftwiderstand, der sich schlussendlich in einer langsameren Fahrtgeschwindigkeit manifestierte, stellte alle Beteiligten vor eine große Herausforderung.

So erreichten sie Kaiserslautern viel langsamer, aber dafür auffallend gut gelaunt. Die gemütliche Geschwindigkeit trug nämlich dazu bei, die Laune bei den Mitfahrern zu erhöhen. Obwohl der Bus objektiv betrachtet viel länger unterwegs war, kam es den Mitfahrern subjektiv viel kürzer vor und einige vergaßen aufgrund der heiteren Stimmung sogar, dass sie sich bereits seit geraumer Zeit auf der Autobahn befanden. Waren sie etwa Opfer einer mobilen Raum-Zeit-Anomalie mit Affinität für breite Busse geworden?

Die größere Breite hatte logischerweise aber auch ein größeres Volumen innerhalb des Busses zur Folge, was den Gedanken der Mitfahrer einen größeren Raum zur Entfaltung ermöglichte. So sinnierte man beispielsweise über die in der Fußball-Subkultur äußerst selten anzutreffende Gastfreundschaft, in der Gäste in der Regel als bedrohliche Feinde wahrgenommen werden; offenbar ein traditioneller Brauch, der von jeder nachfolgenden Generation völlig unreflektiert übernommen zu werden scheint. Wäre der Bus noch etwas breiter, der Raum innerhalb noch ein wenig größer gewesen, hätte vielleicht sogar ergründet werden können, ob die Fußballkultur möglicherweise Vorreiter für ein Massenphänomen war, dass sich mittlerweile auch in anderen Bereichen der Gesellschaft und des täglichen Lebens widerspiegelt.
Auf dem Weg zum Betzenberg fiel nun allerdings auch der Polizei die besondere Breite des Busses auf, sodass er auf seiner heiteren Route nun doch noch gestoppt werden musste, damit die Sachlage genauer identifiziert werden konnte. Nach diversen Messungen ließen die Beamten den Bus mit der Mahnung die Breite schnellstmöglich vom TÜV überprüfen zu lassen, dann allerdings doch weiterfahren.

Wie der Zufall es wollte, lag eine entsprechend qualifizierte Werkstatt genau auf dem Weg und die geforderte technische Überprüfung konnte noch schnell erledigt werden. Die Mitfahrer fragten sich, ob es tatsächlich legal sein könnte, mit einem so breiten Bus durch die Bundesrepublik zu fahren, doch zu ihrer Erleichterung urteilte der TÜV: „Alles im grünen Bereich“.
Gerade noch pünktlich zum Anpfiff im Fritz-Walter-Stadion angelangt, prasselten die Eindrücke des berühmt-berüchtigten „Betze“ schon während der Begehung des Blocks auf die Reisenden ein. Sie waren zunächst gelähmt von der überwältigenden Atmosphäre, besannen sich nach wenigen Minuten dann allerdings doch ihrer breiten Brust und verfielen schließlich ebenfalls in ein ekstatisches Ritual, dass landläufig auch als Support bekannt sein dürfte.

Während der Halbzeitpause, der Appetit war erwartungsgemäß bereits auf einem hohen Niveau, gab es nun allerdings die erste Ernüchterung des Tages. Offenbar war es dem Kapitalismus in Kaiserslautern ganz unbemerkt gelungen, das staatliche Geldmonopol auszuhebeln. Eine Zahlung mit dem gesetzlich zugesicherten Zahlungsmittel EURO war am Imbiss nämlich nicht möglich. So musste das Kapital zunächst in eine hauseigene Paysafecard-EURO Währung [1] umgetauscht werden, mit der dann am Imbiss bezahlt werden konnte. Überschüssig eingetauschte Paysafecard-EUROs konnten zwar beim Verlassen des Stadions nach durchlaufen einer schier endlosen Warteschlange wieder zurückgetauscht werden, aber das änderte alles nichts an der übertriebenen Umständlich- und Kundenfeindlichkeit dieses Service, und dass obwohl die Jünger des Kapitalismus ständig das Gegenteil propagieren. Aber nicht mit uns, wir boykottierten dieses kapitalistische Paysafecard-Konstrukt selbstverständlich mit aller Konsequenz, verließen das Stadion mit leeren Mägen und skandierten völlig unreflektiert im Chor: “Paysafecard-Schweine raus!”

Da der Bus auch auf dem Rückweg aufgrund der wahrscheinlich immer noch anhaltenden Raum-Zeit-Anomalie seine normale Breite noch nicht wieder angenommen hatte, war es für alle Insassen wenig verwunderlich, dass sie sich schon bald innerhalb einer amerikanischen Schnellimbiss-Kette wiederfanden, in der man zu leckeren, zusammengeklappten Brötchenhälften, wahlweise belegt mit Gemüse und/oder Fleisch, und frittierten Kartoffelstäbchen gemütlich dinierte. Für die Abrundung des Tages sorgte als Highlight ein Ballon namens Lufti, der es verstand, sich geschickt zu wenden und zu drehen, sodass er von seinem Träger völlig unbemerkt blieb. Da der gemeine Leser diese Anekdote aber vermutlich aufgrund des fehlenden Insiderwissen gar nicht nachvollziehen kann, erkläre ich dieser Reisebericht hiermit nun offiziell für beendet: “Make it nasty!” und “Peace Out!”

⇒ Zu den visuellen Impressionen des Spieltags

  1. [1]Paysafecard wurde hier absichtlich mit justpay gleichgesetzt, da die Polemik sonst nicht so gut funktioniert hätte

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