Subjektiver Erlebnisbericht aus Braunschweig
(Eintracht Braunschweig – Rasenballsport Leipzig aka Lipsia Löwenzahn)
Holen wir diesmal etwas weiter aus. Es sind noch etwa drei Wochen bis zum Spiel, als wir zu fünft irgendwo in einer vernebelten Wohnung sitzen und am Teaser arbeiten. Uns kommen allerdings keine Ideen, das Material gibt nichts her und die Glieder sind schwer. Am Ende bekommen wir dann wie neuerdings fast immer irgendetwas auf die Reihe. Jim Knopf, von Pathos zugepuderte Szenen, ein netter Klang und der Aufruf sich der Sache anzuschließen. Erschöpft, aber glücklich und zuversichtlich falle ich und der Rest sicherlich auch, nach 6 Stunden Arbeit, Gelächter und Schwätzerei ins Bett.
Mit der Veröffentlichung des Trailers wurde es vollkommen abstrus. Mittlerweile kamen die Cops schon auf die Idee, dass wenn wir per Zug ankommen sollten, wir einfach zurückgeschickt werden, köstlich dieser Zirkus!
Einen Abend vor der Fahrt sitze ich wieder mit dem Rest zusammen. Ich weiß nicht, ob ich heulen oder lachen soll, als wir dann auch noch Unterhaching im Pokal ausgelost bekommen. Fast 1000 km wochentags, was gibt’s besseres. Ach ja, Jena zum Beispiel. Naja wenigstens nicht nach Heidenheim.
Als ich am Spieltag dann gegen 5.30 Uhr aufwache, geht alles eigentlich recht schnell. Tasche gepackt, Wasser eingesteckt und ab aufs Rad geschwungen. Ich trainiere mich auf der Strecke zum Treff bestens im Slalom. Zwischen Glasflaschen, Kotze und Klientel Naca und L1, habe ich das Gefühl nie anzukommen. Die Gruppe legt die letzten Meter zum Bahnhof geschlossen, bis auf einige Nachzügler*innen zurück. Ich war ehrlicher Weise nicht ganz begeistert, als ich am Sammelpunkt ankam. Zum Einen hatte ich wenigstens ein paar mehr Entschlossene erwartet, zum Anderen ein paar mehr bekannte Gesichter. So wurde meine Laune auch auf der Hinfahrt nicht wirklich besser, während sich der Rest splittete und Diversem nachging. Kam mir recht kurz vor – die ganze Fahrt, als ich dann per Spiegelreflex versuchte, optisch die schönsten und ältesten Bahnhöfe des Landes festzuhalten – wertete mein Gemütszustand gehörig auf. Ehe ich, in Braunschweig angekommen, dann den Fokus auf die Meute richtete, die entspannt die letzten Kippen vor dem Shuttle rauchte. Fix die Kamera wieder abgegeben an die Leute, die sich wohl besser damit auskennen. Während der Fahrt zum Stadion, erinnerte ich mich an stattgefundene Diskussionen, in denen es darum ging den Weg eventuell per pedes zurückzulegen. Eine Stunde Fußmarsch wäre zwar machbar gewesen, gerade im Hinblick der Zeit, allerdings wohl angesichts der Mitfahrer*innen wohl nicht die beste Idee. Da muss man sich auch nichts vorspielen. Mir fehlte so ein wenig etwas an diesem Tag, hab allerdings auch nicht ganz genau erörtern können, worum es mir dabei ging.
Am Stadion angekommen lief dann alles nach unzähligen Kontrollen doch noch entspannt ab. Im Kollektiv entschieden wir uns, im Block über das Treppenauge zu gehen, um von dort die Gesänge anzukurbeln. Ich fand´s eine gute Idee, letztendlich zeigten sich dann auch gut 90 Prozent davon angetan. Der Support entwickelte sich mit der Spielzeit immer energischer und einige neue Gesänge konnten wir im Block etablieren. Mit den Toren tanzten wir uns in einen Rausch der bis weit nach dem Spiel anhielt. Lange hatte ich so ein Gefühl nicht mehr erlebt. Zuletzt vernahm ich das zu meinem eigenen Erstaunen bei einem Goa-Festival. Schlagartig fielen mir gewisse Parallelen zu unserem Verein auf. Definitiv nicht normcore und Gefallen finden gewiss auch nicht alle daran. Vollkommen ekstatisch gingen wir darin auf, was wir der Masse intonierten. Und alle merkten, dass wir auf einem guten Weg sind. Einem Weg, den wir gemeinsam festlegen. Wir alle zusammen.
Am Stadion wurde es dann nochmal kurz bunt, wildeste Gerüchte kursieren schon jetzt über den Einsatz von Ordern und Polizei. Mir ehrlich gesagt fehlt die Lust Klarheit in die Szenerie zu bringen. Wir müssen uns als Gruppe eben nicht dafür rechtfertigen, weswegen bestimmte Sachen passieren. Ich weiß, dass ich Leute habe, welche mir nicht nur den Rücken stärken, sondern auch am selben Abend zusammen sitzen, um Vorgekommenes zu reflektieren und darüber zu diskutieren.
Capri Sonne stillte wie gewohnt meine durstige Kehle auf der Rückfahrt gen Leipzig. Manche Dinge ändern sich halt nie. Warum auch?
Die Zugfahrt verbrachte ich damit, die beste Schlafposition auf meinem Sitznachbarn zu finden, was gelang und ich daher nicht wirklich etwas davon berichten kann. Wird wohl die üblichen Gespräche gegeben haben. Ihr wisst schon, Weltpolitik, Wochenendplanung und der Sinn des Großen Ganzen.
Und schon kam ich vom Schlummer- zurück ins Lummerland.
Erschöpft aber glücklich laufe ich den gewohnten Weg von der S-Bahn nachhause, die lauwarme Sonne scheint mir dabei ins Gesicht. Auch wenn ich die letzten Meter allein laufe, weiß ich wer mit mir auf die Reise geht. Die Melodie des Tages pfeifend, genieße ich es einfach nur, Teil dessen zu sein, was wir formen. Ich bekam das Gefühl, endlich wieder richtig angekommen zu sein. Ich möchte das alles nicht missen und daran nichts ändern. Mit der Gruppe in Manie verfallen, ausrasten, abgehen. All das. All dies. Vamos Aces! Vamos Rasenball!
(der wanderer)