Stellungnahmen

Red Aces - RB Leipzig

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen…

Gerade einmal ein paar Wochen ist es her, dass Dietrich Mateschitz eines seiner seltenen Interviews gab. In der Kleinen Zeitung, die regional in Österreich erscheint, philosophierte er ausführlich über wirtschaftlichen Erfolg, Donald Trump und aristokratische Eliten. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Marke Red Bull. [1]

Spruchband auf Schalke: „Der Mäzen des autoritärsten Vereins – welch Witz – nennt sich selbst ein Pluralist“

Bemerkenswert sind dabei vor allem seine politische Äußerungen. So artikuliert er ziemlich unverhohlen seinen Unmut über die aktuelle Flüchtlingspolitik. Neben der Begriffsumkehrung von Flüchtlingswelle zu Auswanderungswelle, spricht er auch offenkundig dem Großteil der Geflüchteten ihre Fluchtgründe ab. In AFD-Manier kritisiert der Red Bull Chef die nicht frühzeitig erfolgte Grenzschließung und fabuliert über eine vermeintliche Wahrheit, die sich keiner auszusprechen traue. Auch das Wirken und Schaffen des amtierenden US-Präsidenten nimmt Mateschitz in Schutz und beklagt vor allem die Hysterie der GegnerInnen Trumps. Letzteren wirft er darüber hinaus vor, nicht akzeptieren zu können, was außerhalb der „eigenen Ideologie ist.“ Außerdem sorgt er sich über den Verlust der eigenständigen, europäischen Identitäten, deren Einzigartigkeit durch Brüsseler BeamtInnen bewusst zerstört würde.

Selbst sieht er sich als humanistischen Individualisten, der etwas gegen die political correctness und das Meinungsdiktat einer intellektuellen Elite zu sagen hat. Dabei wirkt es kaum verwunderlich, dass der Red Bull eigene Sender Servus TV mittlerweile als augenscheinlicher Haus-und-Hof Sender der FPÖ fungiert und Rechtsextremen der “Identitären Bewegung“ eine Plattform bietet. Martin Sellner darf seinen Chauvinismus offenkundig unter dem Label Red Bull verbreiten, genau wie Felix Baumgartner ohne Konsequenzen rassistischen und sexistischen Schwachsinn dartun darf. Höhenflieger Baumgartner, der einen Friedensnobelpreis für den ungarischen Nationalisten Viktor Orbán einfordert, hat ganz konkrete Angst davor, dass Asylsuchende sein heiliges Land unterwandern. Da wird der Extremsportler auch schon einmal zum „Feministen“ und macht sich Sorgen um die Frauenrechte, ehe er Monate später sexistische Osterwerbungen teilt und Kritik daran, ebenfalls diskriminierend, zurückweist. [2]
Martin Sellner, das Gesicht der Neuen Rechten in Österreich, griff jüngst am Rande einer Demonstrationen in Wien politische GegnerInnen mit einer Schreckschusspistole an. Früher besuchte Sellner gern Gedenkveranstaltungen für Wehrmachtssoldaten. Mit „Multikulti“ hat er abgeschworen und fordert Muslima und Muslime direkt zur Ausreise auf, da diese die angepriesene Reinheit des Volkes bedrohen würden. [3]

Augenscheinlich ist das für Mateschitz das beschworene humanistische Weltbild und die eingeforderte Akzeptanz von Meinungen, die außerhalb des eigenen Toleranzbereiches liegen. Red Bull ist eben die beflügelte Reinkarnation des Pluralismus – das muss man schließlich auch einfach mal so hinnehmen.
In Bezug auf den Erfolg seines österreichischen Imperiums gibt Dietrich Mateschitz zu, nicht die Gewinnmaximierung als höchstes Ziel des Red Bull Konzerns anzusehen. Sondern „erst durch die Maximierung all dessen, was geistreich, gut, schöpferisch und sinnvoll ist, kommt der Gewinn.“ Hierbei lohnt sich die Projektion dieser Worte auf die Situation bei Rasenballsport Leipzig und den Abläufen im Zentralstadion. Dort liegt die Deutungshoheit über Schöpferisches, Geistreiches und Sinnvolles komplett in den Händen der wenigen Entscheidungstragenden und nicht in der Selbstbestimmtheit der StadionbesucherInnen. Alle Hürden, Barrieren und Steine, die uns in den Weg gelegt werden, wirken im Verhältnis zur Philosophie Mateschitz’ absolut grotesk. Die bereits angesprochene und angestrebte Selbstbestimmtheit, unsere antirassistische und antidiskriminierende Auffassung des Stadionraums, den kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Zustände und vieles mehr will der Verein nicht akzeptieren, der an seiner Spitze den Gralshüter der pluralistischen und aufgeklärten Welt sitzen hat.

Die Aussagen in ihrer Gesamtheit zwingen zur Frage, aus welcher Richtung der Wind bei Red Bull weht. Akzeptanz für fremdenfeindliche und reaktionäre Positionen, mit denen Mateschitz im Interview nicht sparsam umgeht, scheinen der heilen Welt der Roten Bullen innewohnend zu sein.
Schwere Geschütze fährt Red Bull erst dann auf, wenn einige, junge Engagierte den Versuch wagen, selbstbestimmte und unabhängige Strukturen im Stadion aufzubauen. Bewährungs-Hausverbote für politische Spruchbänder sind ein beliebtes Stilmittel in Leipzig, um „Täter“ einzuschüchtern. Nach Tagesfacon werden in der Geschäftsstelle Spruchbandverbote ausgesprochen. Das aktuellste Geschehnis dieser Restriktionswelle ist das Verbot, das neue Fanzine innerhalb des Zentralstadions zu verteilen.
Doch Kapitulation wäre zu einfach. Wir bleiben. Für unsere Träume, die wir haben und für die Werte, an die wir glauben. Und wir werden sie weiterhin ins Stadion transportieren. Gemeinsam allen autoritären Strukturen zum Trotz.

Für die selbstbestimmte Kurve!

Red Aces, April 2017

  1. [1]http://www.kleinezeitung.at/steiermark/chronik/5197881/Dietrich-Mateschitz-im-Interview_Red-BullChef-rechnet-mit
  2. [2]https://www.vice.com/de_at/article/felix-baumgartner-stellt-wieder-einmal-sein-frauenbild-unter-beweis
  3. [3]http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/02/04/chef-der-identitaeren-bewegung-schiesst-um-sich_23035

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